Schönes Witten an der Ruhr
Witten, Sehnsucht meiner Träume,
wie bist Du an Schönheit reich,
auf der Bredde wachsen Bäume
mitten auf dem Bürgersteig.
Kappus wächst auf deinen Plätzen,
Häuser wechseln mit der Flur.
O, wie bist du hoch zu schätzen
Schönes Witten an der Ruhr!
So wie dein Stationsgebäude
sah ich keins mein Leben lang,
und der Urquell jeder Freude
ist der Bahnhofsübergang.
Deines Gußstahlwerkes linder
Odem weht durch die Natur,
glücklich sind doch deine Kinder,
Schönes Witten an der Ruhr!
Doch nicht nur die Oberfläche
ist dein Ruhm und deine Zier,
hochberühmt ist deine Zeche
ist "Franziska" unter dir.
Sinkt der Boden unter’n Füßen
zeigt das Haus des Risses Spur,
dann läßt dich "Franziska" grüßen,
Schönes Witten an der Ruhr!
Auch an Sonn- und Feiertagen
ist’s in Witten gar zu nett,
denn nach Dortmund, Bochum, Hagen
löst man ein Retourbillett.
Abends kehren die Soliden,
eh noch zwölfe schlägt die Uhr
wiederum in deinen Frieden
Schönes Witten an der Ruhr!
Auf den Straßen pflegt’s bisweilen
ungemütlich auch zu sein,
hergelauf’ne Kerle keilen
sich des Nachts den Schädel ein.
Alles Böse, alles Schlechte
kommt von auswärts zu dir nur,
denn in dir gibt’s nur Gerechte,
Schönes Witten an der Ruhr!
Sollt‘ ich einstmals von dir scheiden,
wie ertrüg‘ ich solchen Schmerz?
Müßt‘ ich deine Mauern meiden
brechen würde mir das Herz.
Eins nur möchte ich erreichen,
daß, wenn abläuft meine Uhr,
in dir meine Knochen bleichen,
Schönes Witten an der Ruhr!
Unbekannter Dichter, entstanden um 1908