Treu-Lieschen
"Mein Liebchen, stell das Weinen ein,
auf Regen folgt ja Sonnenschein,
ich kehr´ mit Schwalb´ und Flieder
und wohl noch früher wieder."
Der Bursche sprach´s. Vom Giebeldach
sah ihm Treu-Lieschen lange nach,
bis Hoffnung wiederkehrte
und ihren Tränen wehrte.
Die Äuglein wurden wieder klar,
das Herze jeden Kummers bar.-
Sie wusste, mit dem Flieder
käm ihr der Liebste wieder.
Der Frühling kam mit Duft und Klang,
Treu-Lieschen harrte mondenlang,
Herbstwind durchfuhr den Garten,-
vergeblich war ihr Warten.
Wohl kam der Frühling viele Mal,
ihr Liebster nimmermehr ins Tal.
Doch Lenz um Lenz auf´s neue
rief sie: "Nun kommt der Treue!"
Es konnt´s ihr Herz das Jahr um Jahr
dem Liebsten treu geblieben war,
es konnt´s ihr Herz nicht fassen
er habe sie verlassen.
Grau ward ihr Haar, welk ihr Gesicht.
Das Alter kam, sie wusst´es nicht.
Ihr Hoffen und ihr Lieben,
ihr Herz war jung geblieben.
Und als der Tod sie heimgeführt,
hat ihn das treue Herz gerührt,
und mit des Liebsten Mienen
ist er vor ihr erschienen.
Theodor Fontane
1 Kommentare:
na, viel spaß.
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